Das Bundesamt für Justiz informiert: Verfolgte Homosexuelle können jetzt Entschädigung beantragen
Guten Nachrichten für Betroffene, die aufgrund des Verbots einvernehmlicher homosexueller Handlungen (§§ 175, 175a StGB bzw. § 151 StGB-DDR) strafrechtlich verurteilt worden sind oder im Gefängnis eine Freiheitsstrafe absitzen mussten: Sie können auf Grundlage des "Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" (StrRehaHomG) und einer dazugehörigen Richtlinie entschädigt werden. Das StrRehaHomG hebt zudem die damaligen strafrechtlichen Urteile kraft Gesetzes auf (Rehabilitierung) und regelt auch die Tilgung eventueller Eintragungen im Bundeszentralregister. Darauf macht jetzt das Bundesamt für Justiz (BfJ) aufmerksam.
Betroffene, die aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt wurden, ohne dass es zu einem Urteil kam - etwa bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung -, können aufgrund einer Richtlinie ebenfalls entschädigt werden. Es handelt sich um die "Richtlinie zur Zahlung von Entschädigungsleistungen für Betroffene des strafrechtlichen Verbots einvernehmlicher homosexueller Handlungen aus dem Bundeshaushalt (Kapitel 0718 Titel 681 03)". Sie ermöglicht Entschädigungen im Falle eines Ermittlungsverfahrens, erlittener Untersuchungshaft oder anderer vorläufiger freiheitsentziehender Maßnahmen. Darüber hinaus kann eine Entschädigung auch wegen außergewöhnlich negativer Beeinträchtigungen erfolgen, die außerhalb einer Strafverfolgung, aber vor dem Hintergrund der Existenz der Strafvorschriften entstanden sind (also im Falle außergewöhnlicher beruflicher, wirtschaftlicher, gesundheitlicher oder sonstiger vergleichbarer Nachteile).
Personen, die sich als betroffen einschätzen, können bis zum 21. Juli 2022 Entschädigungsleistungen beim BfJ beantragen.
Gleichstellungsbeauftragte Anne-Gret Trilling begrüßt diesen Aufruf außerordentlich: "Jetzt gesehen zu werden und Entschädigung, wenn auch nur materieller Art, zu bekommen - das ist ein gutes Zeichen für alle, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gelitten haben und denen Unrecht angetan worden ist", so Anne-Gret Trilling.
Schätzungen zufolge ergingen zwischen 1945 und 1994 etwa 69.000 Urteile nach den genannten Paragrafen. Bis Ende August 2021 beantragten 317 Personen eine Entschädigung beim BfJ nach dem StrRehaHomGoder der Richtlinie, von denen 249 tatsächlich entschädigt werden konnten. 36 Anträge wurden zurückgenommen. Darüber hinaus sind 14 Anträge derzeit noch in Bearbeitung. 18 Anträge mussten mangels Anwendbarkeit des StrRehaHomG bzw. der Richtlinie oder aufgrundeines Ausschlussgrundes nach dem StrRehaHomG abgelehnt werden. Insgesamt wurden bis Ende August 2021 knapp 860.000 Euro ausgezahlt.
Bild zur Meldung: Pixabay_homosexuality-g6f0fb6e75_1920